Erbrecht – Die Anfechtung eines gemeinschaftlichen Testaments ist durch den zweiten Ehegatten nach Wiederverheiratung möglich

//Erbrecht – Die Anfechtung eines gemeinschaftlichen Testaments ist durch den zweiten Ehegatten nach Wiederverheiratung möglich

Erbrecht – Die Anfechtung eines gemeinschaftlichen Testaments ist durch den zweiten Ehegatten nach Wiederverheiratung möglich

Hat der wiederverheirate Ehemann in einem während seiner ersten Ehe errichteten Testament seine erste Ehefrau als Erbin eingesetzt, kann seine in diesem Testament nicht berücksichtigte spätere zweite Ehefrau das Testament auch nach dem Tode des Ehemanns regelmäßig anfechten.

Der Sachverhalt:
Der spätere Erblasser heiratete 1982 seine erste Ehefrau und errichtete mit ihr 2003 ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament, in dem sich die Eheleute wechselseitig zum alleinigen Erben des Erstversterbenden einsetzten. Zusätzlich war vereinbart, dass dies auch für den Fall der Ehescheidung gelten sollte. Die Ehe wurde 2011 geschieden.
Der Erblasser heiratete erneut. Mit seiner zweiten Ehefrau errichtete er ein notarielles Testament, in dem er u.a. seine früheren letztwilligen Verfügungen widerrief. Nach dem Tode des Erblassers ficht die zweite Ehefrau das Testament aus dem Jahre 2003 an, weil sie als Pflichtteilsberechtigte übergangen worden sei, und meint Alleinerbin geworden zu sein. Die erste Ehefrau hält weiterhin dieses Testament für wirksam.

Die Entscheidung:
Nicht die erste Ehefrau sondern die zweite Ehefrau ist Erbin geworden. Das erste Testament aus dem Jahre 2003 war trotz der Scheidung der ersten Ehe aufgrund des Nachtrags der damaligen Eheleute nicht mit der Scheidung unwirksam geworden. Auch war es mit dem neuen Testament nicht wirksam widerrufen, weil der Widerruf gegenüber der ersten Ehefrau zu erklären gewesen wäre und dies versäumt worden war.

Die zweite Ehefrau hat das erste Testament aber wirksam angefochten. Sie war als zweite Ehefrau beim Tod des Mannes pflichtteilsberechtigt und im Testament aus dem Jahre 2003 nicht berücksichtigt. Das berechtigte zur Testamentsanfechtung, weil das Gesetz vermutet, dass der Erblasser den Pflichtteilsberechtigten bei Kenntnis der späteren Sachlage nicht übergangen hätte (sog. Selbstanfechtung nach § 2281 iVm §§ 2078, 2079).

Dies wäre nur dann ausgeschlossen gewesen, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser die Erbeinsetzung der ersten Ehefrau auch bei Kenntnis der späteren Sachlage getroffen hätte. Nach dem Nachtrag sollte das Testament des Jahres 2003 aber nur im Fall der Scheidung weitergelten. Dafür, dass es nach dem Willen des Erblassers auch im Falle seiner Wiederverheiratung weitergelten sollte, gibt es keine Anhaltspunkte. Ansonsten hätte der Erblasser mit seiner zweiten Ehefrau ja auch nicht neu testiert.
OLG Hamm 28.10.2014, 15 W 14/14

By |2019-01-06T09:52:19+00:00Januar 29th, 2015|Blog Kanzlei Zantke & Kollegen|0 Kommentare

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